Wenn der Bundesgesundheitsminister nach Landshut kommt und den direkten Dialog anbietet, ist die Nachfrage groß. Am Dienstag besuchte Jens Spahn (CDU) das Klinikum Landshut. Geschäftsführer André Naumann kündigte zu Beginn der Veranstaltung eine spannende Fragerunde mit dem Minister an und versprach damit nicht zu viel. Die Gelegenheit, dem Spahn Probleme und Anregungen mitzuteilen, wurde von Pflegekräften und Vertretern der Krankenhäuser gerne ergriffen.
Interim-Geschäftsführer André Naumann begrüßte den Gast aus Berlin am Klinikum. Er betonte die guten Ansätze in der Bundespolitik wie das neue Pflegestellenförderprogramm oder die vollständige Refinanzierung von Tarifsteigerungen für die Pflege. Naumann stellte aber auch dar, dass es noch Nachbesserungsbedarf im Gesetzesentwurf gibt: "Die Krankenhausbudgets müssen seit Jahren auch für die Kompensation von Bereichen herhalten, die nicht vollständig oder gar nicht mehr refinanziert werden." Ein Beispiel sei die duale Finanzierung von dringend notwendigen Investitionen. Kritisch zu sehen sei außerdem die zunehmende Tarifschere in Dienstarten außerhalb des Pflegebereiches. "Diese Deckungslücke kann nicht anhaltend durch zwingende Produktivitätszuwächse auf den Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden", so Naumann. Eine Bitte hatte er auch an den Minister: Die Vergleichsbasis für neu eingestelltes Personal im neuen Pflegestellenförderprogramm solle überdacht werden. CSU-Landtagsabgeordneter Helmut Radlmeier, der Jens Spahn zusammen mit CSU-Kreisvorsitzenden Dr. Thomas Haslinger und dem Klinikum nach Landshut eingeladen hatte, betonte, dass er sich im bayerischen Gesundheitsausschuss zwar für die Themen vor Ort einsetze, entscheidende Weichen allerdings auf Bundesebene gestellt würden. Im Gesundheitsbereich dürfe nicht gespart werden und "in der Pflege ist es fünf nach zwölf."
"Du musst in deiner Amtszeit unbedingt einmal nach Landshut kommen" - diesem Ratschlag von Radlmeier und Haslinger folgte der Minister gerne: "Das mache ich doch gleich in den ersten sechs Monaten", so Spahn, der sich in seinem kurzen Impulsreferat auf die Pflege konzentrierte. Er beklagte darin den massiven Vertrauensverlust in die Politik, vor allem der Pflegekräfte, dem er begegnen will. Entscheidend seien viele konkrete Maßnahmen, die Schritt für Schritt umgesetzt werden: "Wir können in der medizinischen Versorgung kein Paradies schaffen, aber wir müssen dafür sorgen, dass es spürbare Verbesserungen im Alltag gibt." Das gelte für die über fünf Millionen Menschen, die im Gesundheitssektor arbeiten. "Das geht aber nicht von heute auf morgen." Ab 1.1.2019 werde daher jede Pflegestelle vollfinanziert - "ein klares Signal", betonte Spahn. 2020 werde die Pflege wieder in die Selbstkostenfinanzierung überführt. Dass der Arbeitsmarkt an Pflegekräften aber wie leergefegt ist, sei ihm bewusst. Daher müssten sich nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessern, sondern auch mehr Menschen für den Beruf begeistert werden. Es müssten Anreize geschaffen und viele große und kleine Maßnahmen ergriffen werden. Als Beispiele nannte der Minister unter anderem eine Ausbildungsoffensive, Umschulungen, Maßnahmen, um ehemalige Pflegekräfte wieder zurück in den Beruf zu holen und Teilzeitkräften eine Aufstockung ihrer Arbeitsstunden attraktiver zu machen sowie das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland. Erfreulich sei die am Dienstag beschlossene Abschaffung des Schulgelds für Heilberufe in Bayern. Zudem wolle er Voraussetzungen für zukunftsfähige Strukturen in der Krankenhauslandschaft schaffen. Ein schwieriger Spagat zwischen einer flächendeckenden medizinischen Versorgung einerseits und einer Zentralisierung und Zusammenführung von Kompetenzen auf der anderen Seite, so Spahn.
In der anschließenden Fragerunde diskutierte der Gesundheitsminister leidenschaftlich mit dem Publikum, das von Pflegekräften, Ärzten über Krankenhaus- und Pflegeheimleitungen bis hin zu Politikern reichte. An Themen mangelte es keineswegs. Viele Fragen drehten sich um die oft geforderte Personaluntergrenze, um eine strukturelle Unterbesetzung in der Pflege zu vermeiden. Diese wird aber nicht nur positiv gesehen, so der Minister. "Wenn es Grenzen geben soll, muss es auch Konsequenzen geben, wo keine Pflegekräfte gefunden werden, und das kann bedeuten, dass Betten abgebaut oder ganze Abteilungen geschlossen werden müssen." Daher müsse eine gewisse Flexibilität eingebaut werden. Eine entsprechende Verordnung trete 2019 zunächst für vier Bereiche in Kraft. Kritische Stimmen gab es hierzu auch aus dem Publikum, insbesondere was den Fachkräftemangel in der Intensivpflege betrifft. Klare Worte fand Spahn zur Anerkennung von Abschlüssen von Fachkräften aus dem Ausland. "Das muss schneller, besser und aus einer Hand gehen." Die Stimmung in der Pflege wurde Spahn ebenso deutlich gemacht. Eine Pflegekraft schilderte ihm ausführlich die Realität in deutschen Krankenhäusern und welche physischen und psychischen Belastungen ihr und ihren Kollegen im Alltag begegnen. Spahn zeigte Verständnis für die Bedenken und teilte seine Wertschätzung mit, Probleme offen zu benennen. Er betonte aber auch, dass es wichtig sei, die schönen Seiten des Berufs darzustellen, um Menschen für die Pflege zu begeistern und damit das Berufsbild mehr Wertschätzung erfahre. Ein weiterer Punkt, den der Bundesminister im Dialog schilderte, war der internationale Vergleich. In Deutschland würden deutlich mehr Eingriffe und Operationen durchgeführt als in anderen Ländern. Daher stellte er die Frage. "Was nützt es mir, wenn ich qualitativ gut operiert wurde, die Operation aber unnötig war?" Wichtig sei es ihm außerdem, die Notfallversorgung zu verbessern. Diskussionsbedarf gab es auch zum System der Fallpauschalen - Fehlanreize, mangelnde Zeit am Patienten, wirtschaftlicher Druck, in den Redebeiträge aus dem Publikum wurden einige systembedingte Konsequenzen benannt. Spahn betonte diesbezüglich aber auch die Frage nach der Effizienz. Er resümierte am Ende der Veranstaltung: "Wir müssen es zusammen schaffen, in diesem komplexen, hochemotionalen Feld mit vielen unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen ein durchaus erfolgreiches System besser zu machen." Neben zahlreichen Anregungen konnte der Minister von André Naumann noch ein Buchskranzerl und einen Landshuter Hochzeits-Humpen mit nach Berlin nehmen.