Von Genetik bis Gefühlsachterbahn

Über 100 Besucher beim 11. Brustkrebs-Patientinnentag am Klinikum

Chefarzt Dr. Ingo Bauerfeind sprach über „Aktuelles zur Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms“.

Dr. Ingo Bauerfeind ging in seinem Vortrag auf den Effekt einer Chemotherapie in Abhängigkeit von Risikogruppen und damit verbundenen unterschiedlichen Prognosen für die Patientinnen ein. Faktoren für eine medikamentöse Therapie seien unter anderem die Anzahl betroffener Lymphknoten, die Hormonempfindlichkeit des Tumorgewebes sowie das Risiko, dass der Krebs zurückkommt. Die Größe allein sei hingegen ein untergeordneter Faktor. Er stellte Leitlinien und eine aktuelle Studie vor, in der die viel diskutierten Gentests des Tumorgewebes untersucht wurden. Deren Ergebnisse sollen zeigen, wie hoch die Gefahr für einen Rückfall ist und somit ob eine Chemotherapie erforderlich ist. Dr. Bauerfeind warnte vor einer Euphorie in Bezug auf die Gentests, nicht zuletzt da sie "nur über das Rückfallrisiko etwas aussagen und nicht, ob eine Chemo wirkt." Entscheidend bei einer Anti-Hormontherapie sei wiederum, dass sie trotz Nebenwirkungen über Jahre hinweg fortgeführt wird. Dr. Bauerfeind berichtete auch von einer aktuellen Publikation zu einem neuen Medikament bei metastasiertem Brustkrebs, das eine Resistenz des Körpers bei einer anti-hormonellen Therapie verhindern soll. Eine neue Bewertung sagt Bauerfeind zufolge aus, dass sich das Überleben durch eine längere Zeit bis zum Fortschreiten der Krankheit verlängert und die Lebensqualität verbessert werde.

Die Frage "Alles nur genetisch?" beantwortete Prof. Dr. Nina Ditsch, Oberärztin der Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Ludwig-Maximilians-Universität München, in ihrem Vortrag zur Gendiagnostik bei familiären Brust- und Eierstockerkrankungen. Durch die genetische Testung konnten inzwischen viele Daten gesammelt werden und somit die Klassifizierung des Erkrankungsrisikos verbessert werden, berichtete Ditsch. Erkranken mehrere Frauen innerhalb einer Familie, könne dies ein Hinweis auf eine erbliche Form sein. Diese könne auf Veränderungen in den Genen BRCA1 und BRCA2 beruhen. Im Falle solcher Mutationen liegt eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit der Vererbung vor. "Zur Risikokalkulation spielen nicht nur die Gene eine Rolle, die Befunde von Verwandten sind für ein Stammbaumrisiko aber sehr wichtig", so Ditsch. Wird ein erhöhtes Risiko für Vererbung festgestellt, können zur Prävention engmaschige Früherkennungsuntersuchungen oder eine prophylaktische Operation in Frage kommen. Eine Maßnahme, für die sich die US-Schauspielerin Angelina Jolie entschieden hatte. Die vorsorgliche Entfernung der Brüste oder der Eierstöcke minimiere das Risiko zwar, dennoch müsse in der Beratung dringend auf deren Vor- und Nachteile eingegangen werden. "Es ist oft eine sehr schwierige Entscheidung", sagte Ditsch.

Die Frage "Wie gefährlich ist die Strahlentherapie?" beantwortete Dr. Hans-Joachim Wypior, Chefarzt der Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum. Er gab dabei einen Überblick über die Entwicklung der Strahlentherapie - angefangen bei Wilhelm Conrad Röngten bis hin zu modernen Linearbeschleunigern. "Heutzutage ist die Strahlentherapie sicher", so das Fazit Wypiors. Gewährleistet werde diese Sicherheit unter anderem durch eine genaue Bestrahlungsplanung und regelmäßige Kontrollen der Geräte. Renate Haidinger, Vorsitzende des Vereins Brustkrebs Deutschland, präsentierte den Besuchern die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Patientinnen zu Langzeitnebenwirkungen nach einer medikamentösen Therapie. Außerdem verwies sie auf ihre Angebote im Brustzentrum des Klinikums: Die Sprechstunde "Betroffene beraten Betroffene" und das Treffen der Selbsthilfegruppe, die jeden dritten Mittwoch im Monat im Raum Kompass im Gesundheitszentrum neben dem Klinikum stattfinden.

Im Vortrag von Dr. Heiko Merkle, Oberarzt der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie am Klinikum, ging es nach einer kurzen Pause um die Bedeutung von Blutabnahmen während der medikamentösen Therapie. Eine Chemotherapie könne die Knochenmarkfunktion schädigen und somit die Blutbildung. Das Blutbild stelle ein Abbild der Knochenmarkfunktion dar. "Regelmäßige Laborkontrollen sind unerlässlich", lautete das Fazit von Merkle - einerseits um zu prüfen, ob sich die Knochenmarkfunktion von der Chemotherapie wieder erholt und mit einem neuen Zyklus begonnen werden kann, andererseits um gefährliche Nebenwirkungen zu vermeiden. Auch viele praktische Tipps gab es im zweiten Teil der Veranstaltung. So sprach Regine Meyer, Fach-PTA für Dermopharmazie in München, zum Thema Veränderungen von Haut und Schleimhäuten bei Chemotherapie und Bestrahlung. Anschaulich stellte sie ein Pflegekonzept dar von der richtigen Reinigung bis hin zu Make Up und gab Ratschläge zum Kauf von Produkten. Betroffene sollten beispielsweise auf Duftstoffe in Pflegeprodukten verzichten. Sibyll Michaelsen, Fachschwester für Onkologie und Breast Care Nurse am Klinikum, stellte Tipps zum Umgang mit Polyneuropathie unter Chemotherapie vor, einer Empfindungsstörung, die sich als erstes an Füßen und Händen zeigt. Erfolge brächten insbesondere Ergo- und Physiotherapie. Michaelsen demonstrierte den Besuchern mehrere Beispiele und Empfehlungen von Patienten für sensomotorisches und Vibrations-Training im Alltag. Über "Psychoonkologische Probleme - und Lösungen" sprach abschließend Britta Schubert, Psychoonkologin am Klinikum. Sie ging auf die Bedeutung von Informationen nach der Diagnose ein, "aber immer in der Dosis, die Ihnen gut tut." Schubert betonte auch, dass Scham, das psychoonkologische Angebot in Anspruch zu nehmen, unnötig ist: "Sie sind normal, egal, welche Gefühlsachterbahnfahrt sie durchleben." Auch Ablenkung und Verdrängung seien erlaubt. Unterstützung und Stärkung könnten Betroffene auf vielfältige Art erfahren. "Begeben Sie sich auf Schatzsuche und fragen sich: Wann konnte ich die Krankheit heute vergessen? Wobei habe ich mich heute leichter gefühlt? Was ist mir heute gelungen, was hat mich gefreut?".

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Barbara Jung

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Regina Kaindl

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